Durchblick im Strommarkt: Insolvente Stromanbieter - eine Geschichte des Scheiterns?
Auch im Energiebereich versprechen verschiedene Anbieter ihren Kunden besonders günstige Preise und landen dabei häufig auf den obersten Plätzen bei den Vergleichsportalen. Verbraucher erhoffen sich große Ersparnisse beim Wechsel zu einem derartigen Versorger, doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt: die niedrigen Preise sind oftmals nicht langfristig kostendeckend.
Drei große unabhängige Energieanbieter mussten innerhalb von sechs Jahren Insolvenz anmelden, im Internet kursieren zahlreiche Kundenbeschwerden. Wir blicken auf die großen Pleiten der Vergangenheit zurück und gehen der Frage auf die Spur: Ist das regelmäßige Scheitern tatsächlich ein „Symptom für die Situation am Energiemarkt“? Und was bedeutet das für die Verbraucher?
Insolventer Stromanbieter Nr. 1: TelDaFax
Mitte 2011 zog der Insolvenzantrag des ehemals größten unabhängigen Energieanbieters in Deutschland, TelDaFax, die mediale Aufmerksamkeit auf sich. Das Handelsblatt sprach vom „größten Insolvenzverfahren in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“ mit 750 Millionen Euro Schaden und mehr als 300.000 betroffenen Gläubigern. 2007 gegründet, belieferte TelDaFax zu seinen besten Zeiten mehr als 700.000 Strom- und Gaskunden. Die Strategie: gegen Vorkasse verkaufte das Unternehmen Strom besonders günstig und versprach hohe Boni – die jedoch häufig gar nicht ausgezahlt wurden, wie sich später feststellen ließ. Schon zwei Jahre nach seiner Gründung war TelDaFax praktisch zahlungsunfähig und lag mit 18,8 Millionen Euro Stromsteuern im Rückstand. Der Zahlungsverzug wirkte sich insofern negativ aus, als dass einige Strom- und Gasnetzbetreiber, wie beispielsweise Vattenfall, sich entschlossen, TelDaFax den Netzzugang zu verweigern. Die Folge: große Kundenverluste. Auch der Fußballclub Bayer Leverkusen stand in der Kritik. Er kassierte durch seinen Trikotsponsor TelDaFax Sponsorengelder, als dieser längst zahlungsunfähig war. Das Landgericht Köln entschied daraufhin, dass der Verein 16 Millionen Euro zurückzahlen muss. Steuerbehörden, Netzbetreiber und Geschäftspartner wurden ebenfalls verklagt, da sie ab 2010 kein Geld mehr vom Unternehmen hätten annehmen dürfen. Im Enddefekt kamen die beschuldigten Manager Klaus Barth und Gernot Koch mit Bewährungsstrafen für die Insolvenzverschleppung 2009 davon, auch daran wurde scharfe Kritik geübt. Fast 7 Jahre später ist unklar, auf wie viel Geld die einzelnen Gläubiger hoffen können.
Insolventer Stromanbieter Nr. 2: Flexstrom
Gerade einmal zwei Jahre nach der TelDaFax-Pleite machte der Stromanbieter Flexstrom AG mit seinen Tochtergesellschaften OptimalGrün und Löwenzahn Energie negative Schlagzeilen. Bis zu 600.000 Kunden hatte das Unternehmen bis zur Insolvenz, doch günstige Vorauskasse-Tarife und fehlende Auszahlungen des „Neukunden-Bonus“ wurden auch hier zum Verhängnis. Flexstrom begründete die Insolvenz dennoch mit der „schlechten Zahlungsmoral“ seiner Stromkunden, welche laut Unternehmen mit rund 100 Millionen Euro im Rückstand lagen. Nach 9 Jahren am Markt und mit 835.000 Gläubigern musste man Insolvenz anmelden und hinterließ offene Forderungen von 570 Millionen Euro. Insolvenzspezialisten schätzen die Überschuldung jedoch schon für den Zeitpunkt ab Anfang 2010 ein. Damit handelt es sich, schaut man ausschließlich auf die Zahlen, um das größte Insolvenzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Gläubiger können frühestens 2019 mit Rückzahlungen rechnen.
Insolventer Stromanbieter Nr. 3: Care-Energy
2017, einen Monat nach dem Tod des Firmengründers Martin Kristek, musste der Energieanbieter Care-Energy mit seinen Ablegern Care-Energy AG, Care-Energy-Holding GmbH und Care-Energy-Management GmbH Insolvenz anmelden. Erfolgreich geworden war er durch sein Geschäftsmodell, den Kunden keine EEG-Umlage zur Förderung Erneuerbarer Energien zu berechnen, wodurch sich zunächst sehr günstige Preise ergaben. Care-Energy argumentierte, die Firma sei kein Stromversorger, sondern Dienstleister für Wärme, Kälte und Licht. Zwar kam sie damit nicht durch, doch aufgrund mehrerer Firmenumbenennungen scheiterten zahlreiche Verfahren. Die Netzbetreiber verlangten die EEG-Umlage schließlich trotzdem, wodurch das Unternehmen mit Nachzahlungsforderungen von mehr als 80 Millionen Euro konfrontiert wurde - die es nicht tragen konnte. Anfang des Jahres forderte der Insolvenzverwalter zahlreiche ehemalige Kunden zu zweifelhaften Nachzahlungen auf, Verbraucherschützer warnten vor unüberprüften Zahlungen und rieten dazu, das zuständige Amtsgericht Bremen zu informieren.
Strommarkt: Undurchsichtige Geschäftsmodelle bieten einige Fallstricke
Der Rückblick auf die verschiedenen Pleiten macht deutlich: risikoreiche Geschäftsmodelle sind auf dem Energiemarkt kein Einzelfall. Die häufige Umbenennung der zugehörigen Unterfirmen und der ständige Wechsel der Geschäftsführer sorgen zusätzlich für Verwirrung: zum Energieanbieter Extraenergie zählen beispielsweise die Marken Extraenergie, Prioenergie und HitEnergie. Das Unternehmen 365 AG, ehemals noch unter dem Namen almado AG bekannt, ist für die Vertriebsnamen IdealEnergie.de, Meisterstreom und immergrün! Energie verantwortlich und die Stromio GmbH bildet zusammen mit gas.de die Marke Grünwelt Energie.
Sogenannte Stromdiscounter punkten häufig dadurch, dass sie durch ihre günstigen Preise auf den vorderen Plätzen bei vielen Wechselportalen liegen. Stiftung Warentest zeigte jedoch 2014, dass nur 2 von 49 derartiger Energieanbieter tatsächlich faire Tarife verkaufen. Verschleppte Jahresrechnungen, fehlende Boni-Auszahlungen und unscheinbare Preiserhöhungen werden nicht selten zum Ärgernis auf lange Sicht. Auf der anderen Seite bleiben immer mehr Verbraucher bei ihrem teuren Grundversorgungstarif, da durch Insolvenz-Fälle die Angst wächst, an einen unseriösen Energieanbieter zu geraten.
Marktwächter der Verbraucherzentrale sollen, im Auftrag der Bundesregierung, den Energiemarkt in Zukunft überwachen und die Aufsichtsbehörden informieren, wenn nicht vertrauenswürdige Praktiken erkannt werden. Um bereits jetzt Ärger zu vermeiden, lohnt es sich, die AGBs und faire Vertragsbedingungen zu berücksichtigen. Es existieren einige Fallstricke, die beachtet werden müssen – mit dem richtigen Wissen können diese aber umgangen werden. Auf Vorauszahlungen, lange Vertragslaufzeiten und Guthabenauszahlungen sollte ein besonderes Augenmerk gelegt werden.
Zweifellos tauchen immer mehr Anbieter am Energiemarkt auf, bei deren Angeboten besser zweimal hingeschaut werden sollte. Trotzdem gibt es durchaus seriöse Anbieter, die verbraucherfreundliche Tarife zu bezahlbaren Preisen anbieten. Der Tarifrechner des Energieverbraucherportals bezieht verbraucherorientierte Kriterien mit ein und kann infolgedessen eine gute Orientierungshilfe bei der Wahl des passenden Energieanbieters sein.
Weitere Quellen:
Artikel zu Stromdicountern aus dem Spiegel
Artikel aus dem Handeslblatt über Flexstrom
Hinweis der Verbraucherzentrale Sachsen
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