Verbraucherthemen

Der Strompreis steigt und steigt – Schuld nicht nur der Energiewende zuzuschieben

/ Sven Ebbing

Für Verbraucher sind es Hiobsbotschaften: Um stolze acht Prozent erhöhen die großen Energieversorger den Strompreis in diesem Jahr. Seit 2009 muss ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland stolze 35 Prozent mehr berappen, das liegt deutlich über der Inflationsrate im selben Zeitraum. Unter anderem machen sich beim Strompreis auch die Kosten für die Energiewende bemerkbar. Zweifelhafter sind jedoch andere Preis-Bestandteile.

Schon 30 Cent je Kilowattstunde mussten Verbraucher in Deutschland 2019 für Strom zahlen. Ein gewichtiger Teil wird dabei für die Kosten der Energiewende fällig. Was viel kostet ist aber noch nicht gleichzeitig gut: Stolze 635 Millionen Euro pro Jahr wenden deutsche Haushalte jährlich für nicht genutzten Ökostrom auf, weil die Netzkapazitäten nicht ausreichen, um ihn zu verwerten. Macht also vor allem die Energiewende den Strom hierzulande so teuer?

Diese Sichtweise ist zu eindimensional. Zunächst sollte man sich vergegenwärtigen, woraus sich der Strompreis in Deutschland im Wesentlichen zusammensetzt. Im Jahr 2019 zahlten deutsche Haushalte durchschnittlich 30,43 Cent je Kilowattstunde. Auf die Beschaffung und den Vertrieb der Energie entfallen davon lediglich etwa 7 Cent, gerade einmal 23,2 Prozent. Dieser Preis, der direkt an die Energieversorger fließt, steigt seit drei Jahren wieder an, ist vom Höchststand 2009 (8,52 Cent) aber noch weit entfernt.

Strompreis größtenteils staatlich reguliert

Die Netzentgelte stiegen in der Vergangenheit hingegen kontinuierlich und sind innerhalb von 10 Jahren um 25 Prozent gestiegen. 2019 waren dafür je Kilowattstunde 7,39 Cent fällig, was 24,3 Prozent des Strompreises entspricht. Netzentgelte erhalten die Übertragungsnetzbetreiber wie beispielsweise Tennet oder Amprion, die für die Unterhaltung und den Ausbau der Stromnetze zuständig sind. Die jährlich neu berechnete EEG-Umlage, mit der grob gesagt erneuerbare Energien subventioniert werden, machte 2019 mit 6,4 Cent rund 21 Prozent des Preises aus. In diesem Jahr steigt die Umlage um 5,5 Prozent. Die verbleibenden großen Bestandteile sind Steuern: Für die Stromsteuer sind gleichbleibend etwa 2 Cent je Kilowattstunde fällig, was knapp 7 Prozent des Gesamtpreises entspricht. Hinzu kommt der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Damit sind also gut drei Viertel des Strompreises staatlich reguliert.

Netzausbau stockt trotz hoher Entgelte

Die Energiewende finanzieren Stromverbraucher also vor allem über die EEG-Umlage, indirekt aber auch über die Netzentgelte. Schließlich ist der Ausbau der Netze entscheidend, um genügend Kapazitäten für Ökostrom zu schaffen. Doch der Ausbau kommt aufgrund von langen Genehmigungsverfahren, Bürgerprotesten und Klagen nur in Trippelschritten voran. So ist für die zentrale Trasse vom windreichen Norden nach Süddeutschland - Suedlink genannt - noch kein Meter Kabel verlegt worden. Das Problem ist an dieser Stelle also nicht die Energiewende an sich, sondern deren schleppende Umsetzung.

Weniger Bürokratie und schnellere Verfahren fordern deshalb die Stromnetzbetreiber. Bis Stromleitungen wirklich schneller gebaut werden, kann über eine alternative Finanzierung der Energiewende nachgedacht werden. Ansätze gibt es bereits. Die Bundesregierung plant, im Zuge des Klimapakets die CO2-Steuer von anfänglich 25 Euro je Tonne zur Senkung der EEG-Umlage zu nutzen. Die Verbraucherzentralen schlagen einen steuerfinanzierten Energiewende-Fonds vor, an dem sich Wohlhabendere stärker beteiligen müssten als Einkommensschwache. Wieviel sich dadurch am Strompreis ändern würde, ist allerdings schwer abzuschätzen.

Doppelbesteuerung belastet Verbraucher

In den Fokus rückt zunehmend auch die Stromsteuer. Sie wurde 1999 ursprünglich zur Gegenfinanzierung der Rentenkasse eingeführt und sollte Verbraucher zum Stromsparen animieren. Da Strom durch die EEG-Umlage ohnehin schon im Sinne eines ökologischen Umbaus des Energiesektors belastet wird, ist diese Steuer allerdings inzwischen ein Anachronismus. Hinzu kommt der volle Mehrwertsteuersatz. Dabei gibt es wenig Zweifel daran, dass Strom als Teil der Daseinsvorsorge wie beispielsweise Trinkwasser oder Grundnahrungsmittel mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent besteuert werden sollte. Zudem wird Energie durch Strom- und Mehrwertsteuer de facto doppelt besteuert.

Ganz offenbar will der Staat aber nicht auf die vielen Einnahmen verzichten, die im Gegensatz zur EEG-Umlage auch nicht an einen Verwendungszweck gebunden sind. Während große Unternehmen mit hohem Energieverbrauch in den Genuss einer ermäßigten Stromsteuer oder des Wegfallens der EEG-Umlage kommen, sind Entlastungen für private Verbraucher absehbar nicht vorgesehen. Durchschnittlich könnte eine zeitgemäßere Besteuerung von Strom den Haushalten 200 Euro jährlich ersparen.

Anbieterwechsel spart bares Geld

Für viele Haushalte gibt es aber einen ganz einfachen Weg, Geld zu sparen. Noch erstaunlich viele Stromkunden nutzen nämlich den Grundversorgungstarif, den sie schleunigst verlassen sollten. Das geht wie jeder Anbieterwechsel ganz unkompliziert. Wer schon einen anderen Tarif hat, kann sich mit einigen Hinweisen und Tipps nach besseren und günstigeren Alternativen umsehen. Sinnvoll ist zudem, auf Ökostrom zu setzen, der auch wirklich regenerativ vor Ort produziert wird. Nebeneffekt: Steigt die Nachfrage nach Ökostrom, müssen Erneuerbare Energien mittelfristig weniger vom Verbraucher subventioniert werden.

Weitere Quellen:
Artikel der Augsburger Allgemeinen zur Energiewende
Artikel der Wirtschaftswoche zum Netzausbau
Videobeitrag im Ersten zum Thema Grundversorger

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