Thema CO2: Freiwillige CO2-Kompensation gegen das schlechte Gewissen
Rund 906 Millionen Tonnen Treibhausgase-Emissionen werden in Deutschland laut Umweltbundesamt jährlich ausgestoßen. Vor allem durch Energiewirtschaft, Verkehr, private Haushalte und Gewerbe gerät eine große Menge CO2 in die Luft. Ein Drittel aller Emissionen weltweit entsteht bei der Erzeugung von Wärme und Strom. Die Folgen sind bekanntlich verheerend: die Erde heizt sich immer weiter auf, die Pole fangen an zu schmelzen und in vielen Regionen kommt es zu Naturkatastrophen und Dürren.
Direkt selbst tätig zu werden und eigene CO2-Emissionen zu kompensieren anstatt lange auf die große Lösung zu warten, hört sich daher erstmal nach einem sinnvollen Vorhaben an. Allerdings birgt das Geschäftsmodell der „CO2-Kompension“ auch Probleme, die Verbraucher unbedingt beachten sollten.
Anbieter freiwilliger CO2-Kompensation: Wer und Wie?
Sogenannte Kompensationsdienstleister haben sich hinsichtlich der hohen Ausstöße ein neuartiges Geschäftsmodell überlegt. Die Idee ist es, Treibhausgasemissionen durch Klimaschutzmaßnahmen an einem anderen Ort zu neutralisieren. Konkret bedeutet das, Verbraucher können ihre ausgestoßenen Emissionen über die Websites der Anbieter ermitteln und den entsprechenden Betrag spenden. Durch die Spenden werden weltweit Klimaschutzprojekte finanziert und unterstützt. Allein in Deutschland gibt es mindestens zwei Dutzend Kompensationsdienstleister – die bekanntesten darunter sind Atmosfair, Myclimate, Arktik und ClimatePartner. Zur Veranschaulichung: Ein Flug von Stuttgart nach New York verursacht 3721 Kilo CO2 – pro Person! Ein Mensch in Indien verbraucht nur die Hälfte in einem ganzen Jahr. Die Deutschen verbrauchen im Durchschnitt etwa 11,5 Tonnen pro Jahr – aber nur eine bis zwei Tonnen wären klimaverträglich. Für viele Menschen ist es dann eine kleine Wiedergutmachung, wenn sie ihre Flugreisen ausgleichen können. Sowohl Privat- als auch Geschäftskunden nehmen diese Anbieter in Anspruch, um die eigene Klimabilanz zu verbessern oder es als Marketinginstrument zu verwenden.
CO2-Kompensation birgt auch Probleme
Neben den Dienstleistern bieten Unternehmen Kunden zusätzlich immer häufiger die Möglichkeit, direkt bei dem Kauf eines Produktes einen Aufpreis zu zahlen, wodurch das Produkt dann als „klimaneutral“ gilt. Und hier liegt eines der größten Probleme der Kompensation: es entsteht der Eindruck als sei der Ausgleich eine Lösung gegen die hohen Treibhausgasemissionen. Dabei ändert die Kompensation nichts an der Tatsache, dass immer noch deutlich zu viele Emissionen in die Atmosphäre gelangen. Kompensation ist also lediglich eine Wiedergutmachung bereits entstandener Schäden und „klimaneutral“ ist nicht gleich umweltfreundlich. Vielmehr sollte bei Emissionsverringerung und -Vermeidung angesetzt werden.
Außerdem gibt es auch bei den Dienstleistern Schwachpunkte. Einige der Anbieter investieren die Beiträge in fragwürdige Projekte und unterstützen somit weniger den Klimaschutz als viel mehr Maßnahmen, die nur gewinnmaximierend und deren Wirkungen sehr gering sind. Ein Beispiel dafür sind die wissenschaftlich umstrittenen Aufforstungs-Projekte, die erst nach Jahren ihren Anspruch erfüllen und dann nur eine sehr geringe Kompensationsleistung erbringen.
Für die freiwillige Kompensation gibt es darüber hinaus in Deutschland keine einheitlichen verbindlichen Standards und ebenso kein zentrales Anerkennungsverfahren, was für die Kunden höchst irreführend werden kann. So gibt es nicht nur zwischen den Anbietern große Abweichungen im Bezug auf Preisermittlung, Projektinvestitionen und Seriosität, sondern auch andere Unternehmen – z.B. Fluggesellschaften – bieten mittlerweile Kompensationsoptionen an, die allerdings eine gänzlich andere Grundlage für die Berechnungen verwenden. Für den Kunden bedeutet das, er muss zunächst genau prüfen welche Projekte er mit seinem Geld unterstützt und ob die Beiträge gerechtfertigt sind. Einzige internationale Orientierung soll hier das Siegel „Gold Standard“ verschaffen. Entwickelt wurde es von WWF und verschiedenen Umweltverbänden und gilt als Qualitätsstandard für CO2-Kompensationsprojekte. Der Verbraucher kann dadurch sicherstellen, dass das Projekt ökologisch und sozial streng geprüft wurde und zudem die Bevölkerung im Gastland unterstützt.
Dienstleister für CO2-Kompensation nutzen – ja oder nein?
Ja, aber nur bedingt. Kompensationsdienstleister und die Möglichkeit für Verbraucher ihr „schlechtes Gewissen kompensieren zu können“ scheinen kurzfristig zunächst eine sinnvolle Idee zu sein – vor allem dann, wenn beispielsweise ein Flug unvermeidbar ist. Dennoch sollte man sich ins Bewusstsein rufen, dass Kompensation nicht das Mittel gegen den Klimawandel sein kann. Ein CO2-Ausgleich darf unter keinen Umständen ein Alibi für vernachlässigte emissionsmindernde Maßnahmen sein, sondern sollte ergänzend stattfinden. Und was man in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen darf, ist, dass sich Nebeneffekte wie Fluglärm, Abwasser oder Öl-Kriege durch bloße Zahlung von Spenden nicht kompensieren lassen. Das Umweltbundesamt und die Deutsche Emissionshandelsstelle raten dazu, folgende vier Punkte vor der freiwilligen Kompensation zu checken:
- Ist der Ausstoß der Treibhausgasemissionen unvermeidbar?
- Ist die Emissionsberechnung des Dienstleisters realitätsnah?
- Gibt es eine anspruchsvolle und nachvollziehbare Unterstützung der Klimaschutzprojekte beispielsweise anhand von Standards?
- Ist das Kompensationsangebot transparent dargestellt?
Nur dann, wenn alle vier Fragen mit „Ja“ beantwortet werden können, sollte man auf CO2-Kompensation zurückgreifen.
Weitere Quellen:
Artikel der Stuttgarter Nachrichten zu CO2-Kompensation
Leitfaden zur freiwilligen Kompensation von Treibhausgasemissionen (CO2)
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