Mobilität & Corona: Veränderungen durch die Krise – Teil II
Bahnverkehr erweist sich als wichtiger Pfeiler der Infrastruktur
Trotz des drastischen Fahrgastrückgangs während der weitreichenden Ausgangsbeschränkungen hielt die Deutsche Bahn ihr Angebot im Fern- und Regionalverkehr zu einem Großteil aufrecht und erwies sich in der Krise als wichtige Stütze der Infrastruktur. Aktuell nehmen die Fahrgastzahlen wieder zu und haben mittlerweile etwa die Hälfte des Niveaus von 2019 erreicht. Die Einnahmen sind jedoch drastisch eingebrochen, sodass die Bahn aktuell mit Verlusten von bis zu gigantischen 13 Milliarden Euro bis 2024 rechnet. Der Bund als Eigentümer hat nun zusammen mit Bahn und Gewerkschaften ein Rettungsprogramm erstellt, dass bis zu 6,7 Milliarden Euro Staatshilfe und die Anhebung der Verschuldungsgrenze vorsieht. Im Gegenzug sollen ohne Entlassungen beim Personal Kosten eingespart werden.
Wichtig dabei: Geplante Investitionen werden nicht zusammengestrichen. Doch angesichts des ohnehin hohen Geldbedarfs für den Erhalt und den Ausbau des Schienennetzes wird es durch die Krise nicht leichter, Brücken, Bahnhöfe und Züge schnell und umfassend zu modernisieren. Immerhin ist die Einsicht, dass ein zukunftsgerichteter Zugverkehr auch viel Geld kostet (siehe die Bahn in der Schweiz) mittlerweile auch an den entscheidenden politischen Stellen angekommen. Der bis 2030 geplante Deutschlandtakt, der für bessere Anschlüsse und mehr Pünktlichkeit sorgen soll, steht bislang nicht zur Debatte. Rückblickend betrachtet ist es außerdem positiv, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Bahntickets rechtzeitig verabschiedet wurde – diese Maßnahme hätte es unter den aktuellen Umständen wohl deutlich schwerer gehabt.
Flugverkehr: Über den Wolken sieht es düster aus
Kein Verkehrsmittel wurde durch die Corona-Pandemie so stark ausgebremst wie das Flugzeug. Landebahnen wurden zu Flugzeug-Parkplätzen umfunktioniert, Terminals verwaisten und nur noch wenige Airlines hielten spärliche Verbindungen zwischen wichtigen Flughäfen aufrecht. Im April brach die Zahl der Passagiere am Flughafen München, dem zweitgrößten Airport Deutschlands, um ganze 99 Prozent ein, von über vier Millionen Fluggästen im Vorjahr auf rund 22.000. Auf Flugzeug-Tracking-Webseiten wie Flightradar24.com ließ sich eindrucksvoll nachvollziehen, wie leer der Himmel fast überall geworden war.
Damit das deutsche Flaggschiff Lufthansa nicht dauerhaft vom Himmel verschwindet, will der Bund nun stolze neun Milliarden Euro berappen und erwirbt im Gegenzug 20 Prozent des Unternehmens. Die Auflagen dafür, unter anderem in Sachen Umwelt- und Klimaschutz, fallen manchen Kritikern viel zu schwach aus. Fordernder ist da der französische Staat, der Kredite an Air France nur vergibt, wenn die Fluggesellschaft alle innerfranzösischen Flüge auf Strecken stark reduziert, die auch in maximal 2,5 Stunden mit der Bahn zu bewältigen sind. Auch in Deutschland gibt es schon länger Forderungen, Inlandsflüge zu kürzen oder gar ganz zu streichen – was wiederum ein gut ausgebautes Schienennetz voraussetzt.
Ob der Luftverkehr auf absehbare Zeit das zweifelsohne ungesunde Niveau vor der Krise erreichen wird, ist ungewiss. Air France-KLM kündigte jüngst an, bis 2021 40 Prozent seiner Flüge streichen zu wollen. Viele Airlines haben bereits Insolvenz angemeldet oder dürften vor der Pleite stehen. Schon vor der Krise war die Branche auf Konsolidierungskurs, man erinnere sich an Air Berlin, Thomas Cook und Germania. Durch weniger Wettbewerb steigen möglicherweise auch die Ticketpreise dauerhaft an. Aus ökologischer Sicht wären es durchaus positive Nachrichten, denn auch wenn Flugzeuge nach und nach effizienter werden, trägt der Luftverkehr erheblich zur Klimaerwärmung bei.
Ein paar tausend Meter unter den großen Airbus- und Boeing-Maschinen könnten derweil schon bald Flugtaxis durch die Luft sausen. Verkehrsminister Scheuer hält es für realistisch, dass schon in drei Jahren Flugtaxis den Verkehrsmix in deutschen Städten ergänzen. Wäre die Bedeutung anfangs wohl noch sehr gering, würde das futuristische Fortbewegungsmittel vielen Menschen zweifellos aufzeigen, was schon heute möglich ist.
Fazit: Die Corona-Krise dürfte unsere Mobilität nicht nur kurz-, sondern auch langfristig nachhaltig beeinflussen. Sowohl Auto- und Luftverkehr als auch die klimafreundlicheren Alternativen in Form von Zügen und Bussen stehen aktuell vor riesigen Herausforderungen, die nicht nur finanzieller Natur sind. Doch mit mutiger Politik, die nicht nur in ökologisch rückständige Branchen investiert, sondern vor allem den Ausbau des Schienen-, Bus- und Radverkehrs anpackt, kann die Krise zum großen Wendepunkt für eine Verkehrswende werden, die diesen Namen auch verdient.
Lesen Sie zu diesem Thema weiter in unserem I. Teil:
Mobilität & Corona: Veränderungen durch die Krise - Teil I
Weiterführende Links:
Interview bei Klimareporter.de zur Zukunft der Mobilität
Artikel bei Autoflotte.de zur Zukunft von Sharing-Diensten
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