Blickwinkel

Atempause für Umwelt und Klima

/ Sven Ebbing

Corona hat das Leben an den meisten Orten auf der Welt fest im Griff. Was das konkret für das alltägliche Leben bedeutet, sieht jeder beim Blick aus dem Fenster. Weniger Autos fahren auf den Straßen, am Himmel sind kaum noch Flugzeuge zu sehen und auch die Fabrikschlote qualmen weniger. Die kurzfristigen Auswirkungen der Covid-Pandemie scheinen zumindest dem Klima und Umwelt eine Atempause zu verschaffen.

Erfolgsmeldungen schon so früh im Jahr verkünden zu können, daran hätten die Experten vom Thinktank Agora Energiewende wohl auch nicht gedacht. „Deutschland erreicht seine Klimaziele für 2020“ hieß es da. Der CO2-Ausstoß werde um 40 bis 45 Prozent gegenüber 1990 zurückgehen. Verantwortlich dafür, neben dem milden Winter, sei die Corona-Krise. Nicht nur werde durch weniger Verkehr weniger Kohlendioxid in die Luft gepustet. Auch die geringere Nachfrage nach Strom und Gas durch die Industrie werde ebenfalls zur positiven Klima-Bilanz des laufenden Kalenderjahres beitragen. Zwischen 10 und 25 Millionen Tonnen CO2 werde in diesem Sektor voraussichtlich eingespart, die sonst etwa für die Herstellung von Grundstoffen wie Stahl oder Zement benötigt werden. Mit Blick auf alle Sektoren könnte der Rückgang gar bei bis zu 100 Millionen Tonnen CO2 liegen, was einem Achtel der deutschen Emissionen 2019 entsprechen würde.

Tatsächlich häufen sich Meldungen, die Effekte des weltweiten Stillstands auf Klima und Umwelt aufgreifen. So hat China, von wo die Pandemie ihren Ausgang nahm, im Februar im Vergleich zum Vorjahr 25 Prozent weniger Treibhausgase in die Luft gepustet. Frankreich verbraucht derzeit 20 Prozent weniger Strom als üblich. In Venedig klart das Wasser auf, sodass sich in den berühmten Kanälen nun sogar wieder Fische beobachten lassen. Und in vielen Großstädten lichtet sich der Smog. Mailand meldete jüngst 25 Prozent weniger Stickstoffdioxid-Emissionen, Rom und das Virus-Epizentrum Bergamo sogar 35 Prozent. Gar 50 Prozent sollen es in Madrid und Barcelona sein. Auch in Deutschland könnten sich ähnliche Effekte bald messen lassen, auch wenn ein abschließendes Urteil über die Veränderung der Luftqualität zunächst nur vorläufig ist.

Dank COVID-19: Autos weichen Fahrrädern

Der Autoverkehr sinkt auch hierzulande drastisch. Schon vor einer Woche fielen die Rush Hours in Berlin nach Daten des niederländischen Geodaten-Anbieters TomTom um ein Drittel kleiner aus als im Jahresdurchschnitt. Genau wie in anderen Großstädten wie Hamburg, München und Köln wird sich diese Tendenz bis heute noch deutlich verstärkt haben. Berlin hat schon die Gunst der Stunde genutzt, um auf einigen Straßen Autospuren nur für den Radverkehr freizugeben. Insbesondere Menschen, die öffentliche Verkehrsmittel zurzeit lieber meiden, können so problemloser auf zwei Rädern etwa zum Supermarkt gelangen. Eine Initiative, die möglicherweise auch in anderen Städten Schule macht.

In den nächsten Wochen und wahrscheinlich Monaten werden sich die beschriebenen Trends sehr wahrscheinlich verstärken, denn in den meisten Ländern hat die Pandemie ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Ob diese Atempause für Klima und Umwelt aber auch auf längere Sicht einen positiven Einfluss haben wird, ist fraglich. Auch die Vordenker von Agora Energiewende warnen, dass Investitionen in klimafreundliche Energien nach der Krise auf unbestimmte Zeit verschoben werden könnten. Das Energieverbraucherportal hat sich ebenfalls kritisch mit möglichen Szenarien auseinandergesetzt.

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