Power-to-Gas: Energie flexibel speichern und umweltfreundlich nutzen
Spektakulär sieht sie nicht aus, die Demonstrationsanlage am Ortsrand des brandenburgischen Dorfes Falkenhagen. Dicht an dicht reihen sich sechs weiß lackierte Elektrolysevorrichtungen aneinander, die aussehen wie Schiffscontainer mit überdimensionierten Klimaanlagen darauf. Daneben hat man ein graues Häuschen mit Flachdach errichtet. Wenig deutet darauf hin, dass an diesem Ort eine Technologie erprobt wird, die viele Experten als unverzichtbaren Bestandteil der Energiewende in Verkehr, Industrie und Wärmeversorgung ansehen. Die Rede ist von Power-to-Gas, eine Technologie, bei der überschüssiger grüner Strom in Wasserstoff und synthetisches Methan umgewandelt wird.
Pilotprojekte für Power-to-Gas mit dem Ziel Marktreife
Die Anlage in Falkenhagen ist eine von 30 Pilotprojekten in Deutschland, mit denen die Technologie erforscht und letztendlich zur Marktreife gebracht werden soll. Sie ist zugleich Teil des ambitionierten und millionenschweren EU-Forschungsvorhabens „Store & Go“, zu dem drei Anlagen in Deutschland, Italien und der Schweiz zählen. Ziel ist es, das neue Verfahren weiterzuentwickeln, indem es im alltäglichen Betrieb der Energienetze erprobt wird. „Wir wollen die technologischen Potenziale und vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von Power-to-Gas aufzeigen“, sagt Frank Graf vom am Projekt beteiligten Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).
Vorteile von Power-to-Gas sind vielseitig
Die Umwandlung von Strom in Wasserstoff und Methan, also synthetisches Erdgas, hat verschiedene Vorteile. Wenn an sonnigen Tagen viel erneuerbare Energie produziert wird, die den gegenwärtigen Bedarf übersteigt, kann die überschüssige Energie in Form von Gas in vorhandenen unterirdischen Speichern gelagert werden. Erhöht sich der Energiebedarf, wird das Gas ins Netz eingespeist und beispielsweise in Gaskraftwerken wieder in Strom umgewandelt. Power-to-Gas hilft also dabei, den natürlichen Schwankungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energien zu begegnen.
In der vom Energieunternehmen Uniper betriebenen Anlage in Falkenhagen ist ein erster wichtiger Schritt schon 2013 gelungen: Wasserstoff mittels Elektrolyse zu erzeugen und ins Erdgasnetz einzuspeisen. Bei der Elektrolyse wird mithilfe von elektrischem Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Bei einem Wirkungsgrad von rund 60 Prozent erzeugt die Anlage aus zwei Megawatt Windenergie 360 Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde. Wasserstoff, der bei Verbrennung frei von schädlichen Emissionen ist, kann neben der Wärme- und Stromerzeugung etwa im Straßenverkehr als umweltfreundlicher Treibstoff verwendet werden.
Methanerzeugung rückt in den Fokus
Die höchste Energiedichte aller Speichertechnologien hat allerdings Methan, weshalb in Falkenhagen im Mai auch eine Anlage zur Erzeugung des synthetischen Erdgases in Betrieb genommen wird. Mithilfe von aus nachhaltigen Quellen wie Abwasser oder Biomasse gewonnenem CO2 wird Wasserstoff dort in Methan umgewandelt. Die chemischen Prozesse finden in zwei neuartigen Reaktoren statt, die synthetisches Erdgas im Gegenwert von 600 Kilowattstunden produzieren. Die Abwärme der Reaktoren wird einer nahegelegenen Fabrik zur Verfügung gestellt. „Damit kann der aus der Elektrolyseanlage gewonnene Wasserstoff nahezu vollständig energetisch genutzt werden“, sagt Gas-Experte Graf.
Vorteilen stehen die Kosten gegenüber
Die zahlreichen Vorteile der Technologie liegen auf der Hand: keine Emissionen, keine Energieverschwendung und flexible Einsetzbarkeit. Dem stehen zurzeit allerdings noch zu hohe Kosten entgegen. Graf: „Bisher gibt es für Power-to-Gas-Konzepte keine wirtschaftliche Grundlage. Insbesondere die Behandlung der Anlagen als Letztverbraucher und die dabei anfallende EEG-Umlage machen einen wirtschaftlichen Betrieb nahezu unmöglich.“
Auch die Berliner Think Tanks Agora Energiewende und Agora Verkehrswende sehen strombasierte synthetische Brennstoffe in einer neuen Studie als unverzichtbaren Bestandteil der Dekarbonisierung von Verkehr, Industrie und Wärmeversorgung an. Deshalb fordern die Vordenker, weiterhin in Erzeugungsanlagen zu investieren, um die aktuell noch sehr hohen Kosten der Technologie zu senken. Einen uneingeschränkten Enthusiasmus, was die Zukunft von Power-to-Gas angeht, teilen die Think Tanks allerdings nicht. Sie plädieren dafür, das Verfahren vor allem als „Joker“ einzusetzen, also nur dort, wo der Einsatz von Methan und Wasserstoff wirklich effizient ist. Sinn mache der Einsatz im Flug- und Schiffsverkehr, bei der Produktion chemischer Grundstoffe und bei der Erzeugung von Hochtemperaturwärme.
Graf bestreitet nicht, dass Power-to-Gas in Sachen Energieeffizienz in manchen Sektoren nicht mithalten kann, gibt aber zu bedenken, dass bei der Energiewende auch an die Versorgungssicherheit und die Umsetzbarkeit gedacht werden muss. „Umso wichtiger ist es zum jetzigen Zeitpunkt, keine einseitigen politischen Entscheidungen zu treffen und Technologieoffenheit zu ermöglichen.“
Vielerorts arbeiten Forscher schon daran, die Umwandlung von grünem Strom in Gas effizienter und kostengünstiger zu machen. Auch im beschaulichen Falkenhagen sind sie optimistisch, dass Power-to-Gas bald mehr sein wird, als nur eine vielversprechende Nischentechnologie.
Das gesamte Interview mit Frank Graf vom KIT können Sie hier als pdf-Datei nachlesen.
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