Kohleausstieg in Europa: Von Vorbildern und Klimasündern
Vorreiter in Sachen Kohleausstieg ist seit jeher Großbritannien. Das Vereinigte Königreich, das schon in den 1980er Jahren mit der Schließung von Kohlekraftwerken begann, will schon in sieben Jahren kein Strom mehr aus Kohleverstromung beziehen. 2022 sollen sieben Kohlekraftwerke vom Netz gehen, ehe das letzte verbliebene im Oktober 2025 seinen Dienst einstellt. Seit 2012 wurde die Nutzung von Kohle zur Energieerzeugung schon um mehr als 80 Prozent auf einen Anteil von nunmehr rund 15 Prozent reduziert. Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist Großbritannien damit klarer Spitzenreiter. Zusätzlich gehört man zu den Initiatoren der Powering Past Coal Alliance. Dabei handelt es sich um ein auf der Bonner Klimakonferenz vorgestelltes Bündnis von inzwischen 64 Ländern, Städten und Organisationen, die den weltweiten Kohleausstieg forcieren wollen. Auch Irland ist dabei und will seinen Kohleanteil bis 2025 von 26 Prozent auf Null senken.
Weitere Nachbarn mit wenig Kohle
Für Frankreich hat Präsident Emmanuel Macron jüngst angekündigt, den Kohleausstieg von 2023 auf 2021 vorzuverlegen. Allzu kompliziert dürfte das Ziel nicht zu erreichen sein: Nur etwa drei Prozent der Energie werden im Kernkraft-Land Frankreich von Kohlekraftwerken produziert. Zum Vergleich: Hierzulande sind es noch mehr als 40 Prozent. Italien hat Ende 2017 beschlossen, bis 2025 aus der Kohle auszusteigen. Zuvor sollte im selben Zeitraum nur ein Viertel der Leistung eingespart werden. Aktuell hat das südeuropäische Land noch neun Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 8000 Megawatt.
In Belgien wurden in den vergangenen Jahren viele veraltete Kohlekraftwerke vom Netz genommen. Inzwischen ist die Energie-Produktion im deutschen Nachbarland komplett kohlefrei – auf diesem Gebiet ist Belgien Pionier in der EU. Das letzte Kohlekraftwerk hat im vergangenen Jahr infolge einer Insolvenz seinen Betrieb eingestellt. In den Niederlanden soll bis 2030 Schluss sein mit der Kohle, die aktuell noch rund 25 Prozent des Energiemixes ausmacht. So hat es die neue niederländische Regierung 2017 angekündigt. Fünf Kohlekraftwerke gibt es dort noch.
Während in der Schweiz keine Kohlekraftwerke stehen (wie übrigens auch im Baltikum), möchte Österreich spätestens 2025 aussteigen. Es wird sogar geprüft, ob die letzten beiden Kraftwerke schon bis 2020 vom Netz gehen können.
Skandinavier ambitioniert beim Kohleausstieg
Skandinavien ist in Sachen Kohle noch fortschrittlicher. Während die Kohleverstromung in Norwegen grundsätzlich kein Thema ist, ist Schweden ähnlich ambitioniert wie Frankreich und will 2022 komplett kohlefrei sein. Bei einem nur noch minimalen Anteil von Kohlestrom ist das durchaus realistisch. Dänemark bekannte sich bei der Bonner Klimakonferenz ebenfalls deutlich zum Kohleausstieg. 2030 soll es hier spätestens soweit sein. Finnland, bislang unter den skandinavischen Ländern mit einem Kohle-Anteil von noch rund 10 Prozent das Schlusslicht bei der Energiewende, hat sich auf das Jahr 2029 festgelegt. Als Belohnung für Unternehmen, die bis 2025 aus der Nutzung von Kohleenergie aussteigen, macht die finnische Regierung 90 Millionen Euro locker
In Osteuropa ist der Kohleausstieg kaum ein Thema
In Osteuropa und auf dem Balkan spielt Strom aus Kohle hingegen noch eine sehr große Rolle. Während überall sonst in der Europäischen Union weniger als 30.000 Menschen in der Kohleindustrie arbeiten, sind es in Polen 100.000. 80 Prozent der Energie kommt bei Deutschlands östlichem Nachbarn aus Kohlekraftwerken, das ist einsamer Spitzenwert in der EU. Deshalb entstehen in Polen weiterhin neue Kohlekraftwerke – trotz schwieriger Marktbedingungen wohlgemerkt. Auch in Tschechien wird die Energie mehr als zur Hälfte aus Kohle gewonnen. Ein Ausstieg ist auch hier ungewiss.
Portugal macht es Spanien vor
Auf der iberischen Halbinsel ist das kleine Portugal dem großen Nachbarn Spanien viele Schritte voraus, weil man dort ab 2030 keine Energie mehr aus Kohle gewinnen möchte. In Spanien, wo der Kohleanteil bei einem Fünftel und damit doppelt so hoch liegt, setzt die Regierung offenbar weiterhin auf schmutzige Energie. Auch wenn einige alte Kohlekraftwerke aufgrund von EU-Vorgaben wahrscheinlich 2020 schließen müssen, steht ein Ausstieg noch in den Sternen. In der Versorgungssicherheit ist die Vorliebe der Politik für die Kohle nicht begründet, denn Spanien hat für die Energieherstellung eine starke Überkapazität.
Die Kohleverstromung ist insgesamt deutlich auf dem Rückzug. Bis ganz Europa jedoch kohlefrei ist, liegt noch ein weiter Weg vor den Ländern – insbesondere auch für Deutschland.
Weitere Quellen:
dw.de
tagesschau.de
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