Schwimmende Dreckschleudern: Containerschiffe müssen grüner werden
Im Fernsehen, in der Zeitung oder auf Nachrichten-Webseiten werden die neuesten Wirtschaftsdaten oft mit Fotos und Sequenzen von vollbeladenen Containerschiffen unterlegt. Die Bebilderung liegt nahe, denn ein Großteil der weltweiten Warenströme fließt über Atlantik, Pazifik, Mittelmeer und Co. Um sich die Dimensionen vorstellen zu können, die der weltweite Schiffsverkehr inzwischen angenommen hat, kann man beispielsweise einen Blick auf die Ostsee werfen: Rund 2000 Containerschiffe verkehren dort innerhalb von 24 Stunden. Haben die Schiffe prinzipiell eine vergleichsweise gute Energiebilanz, weil sie mit vergleichsweise wenig Energie viel Fracht transportieren können, sieht es mit Blick auf die Antriebstechnik ganz anders aus.
Containerschiffe haben drei Prozent Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß
Der Treibstoff der allermeisten Schiffe ist Schweröl. Schweröl ist ein qualitativ minderwertiges Überbleibsel aus der Raffinerie, das bei der Weiterverarbeitung von Erdöl entsteht. Schweröl zeichnet sich durch seinen besonders hohen Anteil von Schwefel und weiteren Schadstoffen aus. Drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes gehen so auf das Konto der Seefahrt. Die Schiffe verpesten die Luft insbesondere an Küsten und in den Hafenstädten mit Schwefeloxiden, Stickstoffoxiden, Ruß und Feinstaub. Stickstoffoxide gelten als Verursacher von Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen, außerdem können sie zu einer Überdüngung der sensiblen Ökosysteme im Meer führen. Wird der bei der Aufbereitung von Schweröl anfallende Schlamm illegalerweise auf See statt im Hafen entsorgt, kann das dramatische Folgen für Meereslebewesen haben. Ruß und Feinstaub gelten ebenfalls ein Gesundheitsrisiko – trotzdem gibt es im internationalen Schiffsverkehr immer noch keine wirklich wirksamen Vorgaben zur Verringerung des Ausstoßes.
Klimaziele für Containerschiffe sind ambitionslos
Die Organisation, die über solche Grenzwerte und sonstige Umweltschutzmaßnahmen verhandelt und entscheidet, ist die International Maritime Organization, kurz IMO. Sie ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und hat ihren Sitz in London. Erst 2016 beschlossen die 173 Mitgliedsländer der IMO, dass der zulässige Schwefelgehalt im Schweröl von maximal 3,5 auf 0,5 Prozent gesenkt werden soll, die neue Grenze gilt ab 2020. Für ein konkretes Klimaziel hat die Organisation noch länger gebraucht: 2018 beschloss die IMO, dass die Treibhausgas-Emissionen aus der Seefahrt bis 2050 um die Hälfte im Vergleich zu 2008 sinken sollen. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist dieser Wert wahrscheinlich nicht ausreichend. Bislang wird dieses Vorhaben zudem kaum mit konkreten Maßnahmen unterstützt.
Im Mai haben sich die Mitgliedsländer zwar auf strengere Umweltrichtlinien verständigt, die allerdings ebenfalls nicht sehr weitreichend sind. International müssen neue Containerschiffe nun „schon“ ab 2023 statt 2025 höhere Effizienzstandards erfüllen. Die Regeln gelten nur für Schiffsneubauten - bei einer Einsatzzeit von 20 bis 40 Jahren zeigen die Umweltschutz-Maßnahmen also wohl eher auf lange Sicht Wirkung. Die EU-Kommission konnte sich mit ihren ehrgeizigeren Zielen nicht gegen den Vorschlag des World Shipping Council durchsetzen, der wiederum die Reedereien vertritt, die einen Linienverkehr mit Containerschiffen anbieten.
Langsame Containerschiffe umweltschonender
Tempo-Limits, wie sie sogar 120 Reeder im Vorfeld des Treffens gefordert hatten, werden auch nicht eingeführt. Unter anderem Saudi-Arabien, die USA und Brasilien hatten sich dagegen gewehrt. Dabei bewirkt diese einfach umzusetzende Maßnahme erstaunlich viel, denn langsam fahrende Schiffe stoßen rund ein Drittel weniger CO2 aus – und die Reeder haben deutlich geringere Kosten. Wie gravierend sich ein Tempolimit auswirken würde, hat der europäische Dachverband der europäische NGO-Fachverband Transport and Environment berechnet: Das eingesparte CO2 entspricht zusammengenommen dem Wegfall von 82 Kohlekraftwerken. Zumindest besteht die vage Möglichkeit, dass es beim nächsten IMO-Treffen im Herbst doch noch eine Entscheidung für eine Geschwindigkeitsregulierung gibt.
Die zur Debatte stehenden Maßnahmen wirken verglichen mit anderen technologischen Entwicklungen im Verkehrsbereich wie E-Autos oder Wasserstoff-Züge reichlich ideenlos und unausgereift. Aber auch für die Schifffahrtsbranche gibt es Ansätze, die in eine nachhaltigere Zukunft weisen. Eine Kostprobe kommt aus Dänemark: Um die schädlichen Ausstöße der Schwerölverbrennung zu minimieren, bietet die weltgrößte Reederei Maersk ihren Kunden seit kurzem an, dem Schweröl 20 Prozent pflanzliches Altspeiseöl beizumischen und Waren somit umweltverträglicher zu transportieren. Da das den Transport verteuert, bleibt abzuwarten, wie viele Kunden tatsächlich von dem Angebot Gebrauch machen werden.
Für Kreuzfahrtschiffe gibt es Alternativen zum Schweröl
In der Kreuzfahrtbranche, die hier trotz ihrer ebenfalls verheerenden Umweltbilanz nur am Rande erwähnt werden soll, gilt Flüssig-Erdgas (kurz LNG für Liquified Natural Gas) inzwischen als sauberer Treibstoff der Zukunft. Tatsächlich mindert LNG die Luftverschmutzung durch die schwimmenden Riesen, vor allem verursacht das auf minus 162 Grad heruntergekühlte Erdgas bei der Verbrennung weniger Feinstaub und Stickoxide. Das große Problem ist, dass bei der Förderung, dem Transport und der Verwendung als Treibstoff von LNG Methan entweicht. Methan wiederum ist für das Klima um ein Vielfaches schädlicher als CO2. Eine vielversprechendere Alternative zu LNG und Schweröl wäre Marinegasöl, das einen deutlich geringeren Schwefelgehalt aufweist und weniger Feinstaub und Ruß verursacht. Allerdings ist es auch deutlich teurer als Schweröl, was die Reedereien bislang daran hindert, Marinegasöl im großen Stil zu verwenden.
Dass Container eines Tages sogar mit elektrischer Energie oder Wasserstoff über die Weltmeere transportiert werden, ist aber allenfalls sehr leise Zukunftsmusik. So geht in Dänemark zurzeit die erste vollelektrische Fähre der Welt in Betrieb. In Schottland wird zudem an einer wasserstoffbetriebenen Fähre mit Brennstoffzellen getüftelt. Der Energiebedarf eines gigantischen Containerschiffs, das tausende Tonnen Fracht statt ein paar Dutzend Passagiere befördert, ist jedoch ungleich größer.
Auf lange Sicht ist es wohl unvermeidlich für die Reeder, das umweltschädliche Schweröl durch andere Antriebstechniken zu ersetzen. In Sachen Klimaschutz ist jedoch Eile geboten, sodass dringend strengere Auflagen und Grenzwerte erforderlich sind. Wo etwa im Straßenverkehr Partikelfilter und spritsparende Motoren längst Alltag sind, wirkt die Seeschifffahrt mit ihren schwimmenden Dreckschleudern wie aus der Zeit gefallen. Höchste Zeit für die IMO, den Kurs zu ändern.
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